Solothurns Gastro-Rebellen: Zwei Quereinsteiger rütteln die Stadt wach

Ein Gespräch mit Markus Moerler und Wolfgang Aeberhard über Visionen, Mut und die Sehnsucht nach urbaner Lebendigkeit.

Savoir Vivre: Herr Moerler, Herr Aeberhard, Sie haben mit dem Dock und dem NEST zwei sehr unterschiedliche Lokale in Solothurn geschaffen. Was war Ihre Motivation dahinter?
Markus Moerler (M): Wir wollten Orte schaffen, die wir selbst gerne besuchen würden. Das Dock ist unsere Interpretation eines urbanen Hafens – rau, ehrlich, mit Geschichte. Das Gebäude war früher ein Waisenhaus, in dem Kinder Wein vom Bielersee entluden. Diese Geschichte wollten wir spürbar machen. Keine polierten Oberflächen, sondern Charakter.
Wolfgang Aeberhard (W): Das NEST hingegen ist ein Chamäleon. Am Morgen Café, am Abend Lounge. Es soll ein Ort sein, an dem sich jeder wohlfühlt – vom Touristen bis zum Einheimischen. Modern, hell, mit urbanem Flair.

Impressionen vom NEST und Dock

Sie sprechen oft von der Geschichte der Gebäude. Wie wichtig ist Ihnen der Bezug zur Vergangenheit?
M: Sehr wichtig. Wir glauben, dass Orte mit Geschichte eine besondere Atmosphäre haben. Beim Dock haben wir bewusst die Vergangenheit des Gebäudes integriert. Es geht nicht nur um Ästhetik, sondern um Authentizität.
W: Auch beim NEST wollten wir den Bezug zur Vergangenheit wahren. Der Name ist eine Hommage an den ehemaligen‹Storchen›. Aber wir wollten keinen Landgasthof, sondern einen urbanen Ort schaffen.

Sie haben klare Vorstellungen von Solothurns Zukunft. Was fehlt der Stadt Ihrer Meinung nach?
M: Visionen. Solothurn ist wunderschön, aber es fehlt an Dynamik. Wir verlieren junge Menschen, weil es keine Perspektiven gibt. Warum nicht eine Universität für Medizinaltechnik hier ansiedeln? Das würde der Stadtentwicklung enorm helfen.
W: Und wir müssen die Aare besser einbinden. Die Wengibrücke als Schwenkbrücke, eine Anlegestelle beim Landhaus oder sogar gleich beim The Dock, so wie ganz früher. Solche Ideen würden den Tourismus in Solothurn beleben.

Sie sind Quereinsteiger in der Gastronomie. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?
M: Wir haben keine Scheuklappen. Wir denken nicht in Kästchen, sondern analysieren zahlenmässig und handeln mit Leidenschaft. Das ermöglicht uns, neue Wege zu gehen.
W: Unsere unterschiedlichen Hintergründe – Architektur und Betriebswirtschaft – ergänzen sich gut. Das hilft uns, sowohl kreative als auch wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen.

Impressionen Gastro

Gibt es weitere Projekte, die Sie in Solothurn realisieren möchten?
M: Wir hätten da schon einige Ideen. Das ehemalige CS-Gebäude als urbanes Hotel zum Beispiel, oder die Neubelebung des Alten Spitals – es gibt so viele Möglichkeiten. Es braucht nur den Willen, Ideen konsequent umzusetzen.
W:
Wir möchten Solothurn weiter bereichern. Mit neuen Projekten, die die Stadt lebendiger und attraktiver machen.

Sie haben den Abendverkauf in Solothurn kritisiert. Was schlagen Sie vor?
M: Der Abendverkauf in seiner jetzigen Form ist überholt. Wir könnten ein Konzept wie den ‹First Friday› in Biel adaptieren. Ein Abend, an dem alle Geschäfte bis 22 Uhr offen haben, mit Musik, Kultur und Gastronomie. Das würde die Innenstadt beleben. Biel zeigt, wie viel man mit einfachen, aber klug und konsequent umgesetzten Ideen bewegen kann.

Was treibt Sie an, trotz Herausforderungen immer wieder neue Projekte anzugehen?
M: Leidenschaft. Wir wollen Orte schaffen, die Menschen glücklich machen. Das ist unser Antrieb.
W: Und die Überzeugung, dass Solothurn das Potenzial hat, mehr zu sein als die ‹schönste Barockstadt›. Wir wollen dazu beitragen, dieses Potenzial zu entfalten.

Die Visionen von Markus Moerler und Wolfgang Aeberhard zeigen, dass mit Mut, Leidenschaft und Kreativität neue Impulse in Solothurn möglich sind. Ihre Projekte sind mehr als nur Gastronomie – sie sind ein Aufruf zur urbanen Erneuerung.

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